Unsere heimlichen Lieblinge

Montag, 21. Dezember 2015

Kreativität für alle - "Big Magic" von Elisabeth Gilbert



Rezensionen, egal ob über Bücher oder Veranstaltungen sind hier auf dem Blog in der Regel nicht ganz so beliebt. Eigentlich schade. Dabei stecken wir immer ganz besondere Mühe in diese Posts.

Auch heute möchte ich wieder über ein Buch schreiben, dass mir sehr am Herzen liegt. Obwohl ich mit Vorbildern eigentlich nicht viel am Hut habe, gibt es doch ein paar Menschen, deren Art und Meinung ich sehr respektiere und denen ich einfach gerne zuhöre. Elisabeth Gilbert gehört eindeutig dazu. Gerade als Frau finde ich es immer wieder schwierig, Frauen in der Öffentlichkeit zu finden, die mich inspirieren und die ich schätzen kann. Leider muss ich dazu sagen, hat die Geschichte nur wenig Frauen hervor gebracht, die meinen Maßstäben genügt hätten. Fairerweise muss ich aber hinzufügen, dass es auch nicht besonders viele Männer gibt, von denen ich sagen würde, dass sie mich inspirieren. 

Aber zurück zum Buch oder viel mehr zur Autorin. Einige kennen sie vielleicht von ihrem Weltbesteller „Eat, Pray, Love“, welcher auch mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt wurde. Wahrscheinlich hören spätestens hier schon einige augenrollend auf zu lesen. War das nicht dieser Film, wo eine Frau auf einem Selbstfindungstrip durch drei Länder reist? Gähn. 

Doch man sollte da nicht vorschnell urteilen. Ich habe bereits einige ihrer Bücher gelesen und schätze ihre bodenständige, natürliche und witzige Art. Sie hat die seltene Gabe in einem hinreißenden Plauderton, leicht und selbstironisch über sich und ihre Erlebnisse zu fabulieren und dabei weder Tiefe, noch Echtheit vermissen zu lassen. Sie ist eine Frau, die sowohl Frauen, als auch Männer gern zum Kumpel hätten.
 
by preussicher Widerstand
Ihr aktuelles Buch „Big Magic“ hat sie dem Thema Kreativität gewidmet. Sicher ist dies ein sehr spezieller Bereich, von dem sich nicht jeder gleich angesprochen fühlt. Obwohl ich aus einer Familie mit kreativen Ambitionen stamme, zähle ich mich selbst eigentlich nicht zu dieser besonderen Spezies des kreativen Menschen. Dies liegt auch daran, dass ich bislang eine ziemlich eng gefasste Definition von Kreativität hatte. Spätestens nach der Lektüre dieses Buches habe ich aber begonnen diese zu überdenken. 

Kreativität gehört zum Wesen des Menschen

Der Grundtenor dieses Buches ist, dass Kreativität grundlegend im Wesen des Menschen verankert ist. Ohne diese wäre es dem Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach, überhaupt nicht gelungen so lange zu überleben. Erfindungsreichtum, Leidenschaft, Phantasie – all diese Dinge machen uns als Menschen aus und wir werden ausnahmslos alle damit geboren. 

Sicher bedeutet dies nicht, dass wir alle Da Vincis oder Picassos werden. Aber auch hier stellt Gilbert die berechtigte Frage, wer eigentlich festgelegt hat, dass unsere Kreativität nur dann ausgelebt werden darf, wenn sie Dinge hervorbringt, die Geld und Ruhm einbringen. Besonders in unserer leistungsorientierten, effizienzfixierten Welt, wird gerne alles auf Nützlichkeit, bzw. Verwertbarkeit abgeklopft. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass die selbst getöpferte Katzenstatue oder das handgestrickte Landschaftsbild nur einen Wert haben, wenn ein rotweinsaufender Typ, mit Hornbrille und Künstlerschal uns in der New York Times besprochen hat. 

Kreativität steht für sich.

Kreativität existiert unabhängig von Erfolg. Erfolg kann sich natürlich einstellen. Sicher ist es schön, wenn die Arbeit, die man in ein Projekt gesteckt hat, auch von anderen gewürdigt wird. Auch ist nichts anrüchiges dabei sein Glück zu versuchen. Aber letztlich ist es eben keine Voraussetzung dafür. 

Und die Autorin weiß wovon sie spricht. Trotz ihrem Weltbestseller, hat sie davor und auch danach einiges geschrieben, was sich nicht so gut verkauft hat. Die Messlatte schien mit einem Mal ziemlich hoch zu sein. Doch ihr Bedürfnis sich kreativ auszuleben wird aus einer ganz anderen Quelle, als der Sucht nach Ruhm und Anerkennung gespeist. 

Mit inspirierender Leichtigkeit spricht sie sehr persönlich und offen über ein Thema, welches in unserer Gesellschaft häufig nur einer kleinen gebildeten Elite vorbehalten bleibt. Sie bricht dabei das verkrustete Schubladendenken auf und lässt die vielen Widersprüche, die der Begriff der Kunst und Kreativität so an sich hat einfach ganz unbekümmert nebeneinander stehen. Sie versucht keine Definition. Ebenso wenig legt sie sich fest, wer für die Kunst geeignet ist und wer nicht. Sie macht nur eine Einschränkung. Wer kreativ schafft, muss auch bereit sein, hart zu arbeiten. Wobei sie deutlich darauf hinweist, dass sie damit nicht das Bild eines leidenden Künstlers im Kopf hat, der von Depressionen und Perfektionismus zerfressen seine Schaffenskrise in Alkohol ertränkt. Nein – für sie schließen sich Perfektionismus und Kreativität sogar vollkommen aus. Sie räumt mit der Vorstellung auf, dass man sich wie van Gogh ein Ohr für die Kunst abschneiden muss. Selbstzerstörung setzt keine kreativen Kräfte frei, sondern zerstört sie. 

Eine Sache, die wir gerne tun, ist eine Quelle der Freude und weiteren Inspiration. Vielleicht ist dies eine banale Erkenntnis. Auch erfindet Elisabeth Gilbert das Rad nicht neu. Dennoch finde ich wichtig, dass wir an diese Dinge immer wieder erinnert werden. Daher, als kleiner Tipp von mir, für alle die vielleicht noch ein Weihnachtsgeschenk suchen für Menschen, die dringend mal wieder ihren Malkasten oder ihr Schnitzwerkzeug aus der Schublade holen sollten, schenkt ihnen dieses Buch.

Ach, und falls noch jemand Bock hat, sich von dem Witz und Charme dieser Frau selbst überzeugen zu wollen, hier noch eine kleine Rede von Elisabeth Gilbert vor der

ICAN's Women's Leadership Conference





Kleine Anmerkung: Von dem Untertitel des Buches sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Klingt nach Selbsthilfebuch, ist aber für dieses Buch absolut falsch gewählt.
 

7 Kommentare:

  1. Kennst du "Der Weg des Künstlers" von Julia Cameron? Das kreist um dasselbe Thema. Ich habe es eigentlich nicht mit Selbsthilfe-Literatur, auch in dem Bereich nicht, aber das habe ich mehrmals, zuletzt sogar in einer Gruppe mit anderen durchgearbeitet. Ist nicht für jeden, aber ich fand's beim ersten Mal aus der Blockade heraus handelnd super, ein Jahr später beim zweiten Durchgang hilfreich und jetzt immer noch gut.

    Falls du kein Problem mit Spiritualität hast, obwohl man den Spirituellen Aspekt NICHT übernehmen muss, findest du vielleicht auch was bei A.R.T.S. Anonymous (Suchmaschine füttern). Das was man da runterladen kann (auf der Englischen Seite viel mehr als der Deutschen, die englischsprachigen Gruppen funktionieren auch online, die deutsche ist tot) passt auch nicht für jeden, und für einen der gerade erst beginnt oder "nur" Kreativer sein will ist das vielleicht auch überfordernd, aber es ist im Grunde dazu da die Kreativität anzukurbeln. Und so hab ich deinen Post verstanden. Ich arbeite seit über einem Jahr mit einer Gruppe, die sich daraus abgespaltet hat (weil es halt tot ist) und wo wir das alles nicht ganz so genau nehmen.

    Wo es viel schöne Inspiration zum selber Denken und auch für Nicht-Künstler gibt ist brainpickings.org (englisch).

    Ich bin übrigens ehrlich: Ich lese keine Rezensionen. Auf Blogs erstrecht nicht, ich überspringe auch so was wie Produkttests, wenn ich die irgendwo sehe.

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    1. Das Buch von Julia Cameron kenne ich nicht. Ich habe mich vorher mit dem Thema Kreativität noch nie so eingehend beschäftigt. Gibt es nicht eine Fotografin die Julia Cameron heißt? Ich erinnere mich so dunkel daran. Aber ich danke dir für die Tipps. Ich wünsche dir noch schöne Festtage.

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    2. Julia Margaret Cameron war eine Fotografin, korrekt, ist aber nicht diese Julia Cameron.

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  2. promenadenmischung26. Dezember 2015 um 10:22

    Tolle Frau! Gut, dass Du das Video verlinkt hast:
    das war ja die reine Promotion für das Buch (und das
    meine ich gar nicht negativ!) – mich hat sie jedenfalls
    animiert, dieses offenbar nichts weniger als überflüssige
    Buch auch zu lesen.

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    1. Ich frage dich lieber, bevor irgendwas falsch verstehe, aber wie hast du das mit 'überflüssig' gemeint? Wenn ich das richtig deute, sind solche Bücher sonst eher nicht so deins?! :)

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  3. promenadenmischung6. Januar 2016 um 18:25

    Ich schrub: nichts weniger als überflüssig – also das Gg.-Teil.
    Ansonsten: in der Szene – mehr Spreu als Weizen. Aber sie ist
    offensichtlich Weizen vom Allerfeinsten (kein guten-aufgepimpter
    Industrieweizen):-)

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  4. promenadenmischung6. Januar 2016 um 18:26

    … natürlich meinte ich gLuten-aufgepimpter usw.! Sorry ;-(

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