Nach unserem morgendlichen Stuhlkreis,
wo jeder der 10 Teilnehmer von den Bemühungen und Frustrationen seiner Woche
erzählen durfte, forderte uns die Jobcoachin dazu auf alle Begriffe zum Thema
Arbeitslosigkeit zu notieren. „Machen sie ein Brainstorming. Zensieren sie sich
dabei nicht. Und damit sie sich auch sicher fühlen, verlasse ich jetzt den
Raum.“ Sie zwinkerte uns zu und verabschiedete sich mit den Worten, dass sie in
5-10 Minuten wieder bei uns sei.
Nach
den ersten Beteuerungen, dass die eigene Handschrift ja ganz furchtbar sei,
erbarmte sich schließlich ein Teilnehmer den ganzen Kram aufzuschreiben. Mit
großen Buchstaben schrieb er ARBEITSLOSIGKEIT auf ein Stück Papier und malte
einen Kreis darum. Als sich der Kugelschreiber wieder vom Blatt gelöst hatte,
herrschte für einen Augenblick lang Stille. Dann plötzlich sprudelte es aus den
Leuten hervor. Begriffe und Assoziationen wurden in den Raum geschleudert.
Nichts war neu. Nichts war besonders überraschend. Es fielen Worte wie „kaum
Geld“, „Abhängigkeit“, „Verlust des Selbstwertes“, „Mangelnde Planbarkeit für
die Zukunft“, „Unsicherheit“, „Stetiger Abbau der eigenen Kenntnisse und Fähigkeit“,
„Nutzlosigkeit“. Ich kann diese Liste noch beliebig fortführen. Eine blonde
Frau, so Mitte Vierzig, die mit gedrückter Miene und traurigen Augen in die
Runde blickte, merkte an, dass sie sich wie ein Schmarotzer fühlen würde. Ich
fragte zurück, warum sie ausgerechnet dieses Wort wählen würde. Sie begann sich
etwas zu zieren. Offensichtlich war es ihr so unangenehm, dass sie es nicht
einmal in einer Runde von Menschen auszusprechen wagte, die in genau der
gleichen Situation steckten wie sie. „Naja“, begann sie vorsichtig, „wir leben
auf Kosten des Staates und tun nichts dafür. Das denken doch alle – also, dass
wir faul rumliegen. Man fühlt sich irgendwann nur noch nutzlos und gehört
irgendwie auch nicht mehr dazu.“
„Aber bemühst du dich denn nicht? Und ist
Hausarbeit und dergleichen keine Arbeit, nur weil du kein Geld dafür bekommst?
Nur weil es keiner zu der Arbeit!
auserkoren hat?“ Die Frau nickte
verhalten, als ob sie ein bisschen Angst davor hätte diesen Gedanken zu
zulassen. Schließlich fügte sie hinzu: „Außerdem verblödet man langfristig ohne
Arbeit. Man bekommt gar nichts mehr mit und hat abends zuhause auch nichts mehr
zu erzählen.“ Einige Teilnehmer nickten zustimmend. Ich sparte mir eine
Reaktion auf diese Aussage. Doch innerlich dachte ich, dass es auch Arbeit
gibt, bei der man langfristig verblödet, weil sie einen vom echten Leben
abhält. Auch habe ich immer genug am Abend zu erzählen. Ich kann lesen, hinausgehen,
mich bilden. Ich verstehe, dass diese Frau sich wertvoll und als Teil der
Gesellschaft fühlen möchte. Aber ich denke, dass die Arbeitslosigkeit nicht nur
schlechte Seiten hat, so wie die Arbeit auch nicht nur Gute. Diese Phase kann
auch eine Gelegenheit zur Neuorientierung, Weiterbildung oder einfach auch nur
zur Muße sein. Das Hamsterrad anhalten und sehen was ist. Natürlich
funktioniert das nicht an jedem Tag gleich gut und manchmal möchte man diesen
Zustand einfach nur endlich beenden und mit einem anderen Abschnitt des Lebens
weitermachen.
Entsprechend irritiert reagierte dann
auch die Gruppe, als ich zum Thema ARBEIT, zu welchem wir dann anschließend
auch noch ein Brainstorming durchführen sollten, anmerkte, dass Arbeit auch Stress
und Mühsal bedeuten kann. Zuerst wurde es notiert, doch dann beschloss die
Gruppe diesen Begriff wieder zu tilgen. Ein Mann, Anfang fünfzig amüsierte sich
sogar regelrecht darüber. „Mühsal, was für ein lustig Wort. So schlimm ist es
doch auch wieder nicht.“ Dann kennt er nicht die Leute, die ich kenne und die sich
täglich abrackern. Aber gut. Letztlich waren sich alle Teilnehmer einig, dass
Arbeit durchgehend ein positiver und erstrebenswerter Zustand ist. Auch die
Augen unserer blonden Mitvierzigerin leuchteten wieder auf. Seelig schwelgte
sie in der Sehnsucht nach einem Job. Dort wo Anerkennung, Wertschätzung und die
verloren gegangene Liebe einer ganzen Gesellschaft auf sie warteten, wenn sie
sich nur genug bemüht.
Einen Happy Monday euch allen.
Einen Happy Monday euch allen.