Es gibt Leute, die sich in
Bäckereien einen Tisch reservieren. Das wusste ich nicht. Erst seit
jenem Vormittag, an dem ich mich für Kaffee und Käsebrötchen im
Sitzbereich einer hiesigen Bäckerei einfand und von meinem Tisch
vertrieben wurde, weil er für 11 Uhr reserviert war, weiß ich das.
Kurz darauf kamen drei deutsche Omas herein, natürlich waren sie es
gewesen, die aufgrund ihres riesigen Bedürfnisses nach Ordnung und
Sicherheit die Vorsichtsmaßnahme ergriffen hatten.
Sowieso scheint diese
Bäckerei ein sicherer Anker für die Leute der Nachbarschaft zu
sein. Quasi ein Stadtteilzentrum
des ansonsten toten Viertels. Viele alte Menschen leben hier, auch
einige bildungsbürgerliche Familien, die allerdings immer im
SUV unterwegs sind und prinzipiell nicht zu Fuß gehen. Man merkt, es
existiert ein nicht kleiner Kreis an Stammgästen, der anscheinend
täglich die Stunden absitzt. Es ist laut und lebhaft, dicke Männer
versuchen sich gegenseitig zu übertönen, jovialen mit den
Verkäuferinnen, die mittlerweile resolut mit den zotigen Sprüchen
des Altherrenklubs, wie ich ihn nenne, umzugehen wissen.
Wie in einer Eckkneipe ist
es hier. Ein Biotop, in dem alles seine Ordnung hat, das man
studieren kann, in dem sich manche Dinge niemals ändern, in dem die
immer gleichen Geschichten erzählt werden. Nur dass hier keine
Spielautomaten hängen, günstiges lokales Bier ausgeschenkt wird und
altbackene Rockplatten im Hintergrund dudeln, sondern Torte für die
Herzverfettung par excellence serviert wird. Diese Bäckerei ist ein
dringend notwendiger Raum für Leute, die wenigstens für ein paar
Stunden Ablenkung von ihrer Einsamkeit brauchen. Für Leute, die eine
Pause von ihren langjährigen Ehepartnern brauchen. Für Leute, die
zu krank oder zu schwach sind, um etwas anderes zu unternehmen.
Man könnte Mitleid
bekommen, wenn man beobachtet, wie diese Menschen entweder allein mit
leeren Augen vor sich hinstarren oder mit viel Geräusch und
Gelächter ihre eigentliche Seelenlage übertünchen. Aber Mitleid
bedeutet immer auch, sich auf gewisse Weise zu erheben. Dabei sind
diese Menschen keine Opfer, sondern eigenständige Personen, die
ihren Lebensweg (hoffentlich) mit erhobenem Kopf gegangen sind.
Vielleicht kann man auch
einfach lachen? Ganz ohne Herablassung und Hohn die Skurrilität und
Komik gewisser Situationen anerkennen? Wenn beispielsweise der
schmerbäuchige Anführer des Altherrenklubs nach einer wortreichen
Verdammung der BILD mit darauffolgendem Schwur, sie nie zu kaufen,
später heimlich in den Kaiser's nebenan schleicht und neben der
Rheinischen Post und einem Päckchen Margarine genau diese kauft? Das
ist doch inspirativer Stoff, für eine Charakterstudie oder so.
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