Freitag, 17. Juli 2015

80 Millionen Griechenland-"Experten"


Wenn mir eins in letzter Zeit so richtig auf die Nerven geht, dann sind das Leute, die zu jedem Anlass, so unpassend er auch sein mag, ihre Haltung zur Griechenland-Geschichte herausposaunen müssen. Ganz reflektierte und fundierte Expertenmeinungen sind das, und so unglaublich relevant, dass jeder davon Kenntnis nehmen muss, freiwillig oder unfreiwillig.


Es geht auch nicht, keine Meinung zu haben. Man MUSS sich positionieren, egal wie wenig man sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wie dürftig die Politik- und Wirtschaftskenntnisse sind, wie einseitig die Informationen sind , die man über Bekannte und Zeitungsapps erhalten hat. Ist man linkspolitisch, hat man die griechische Regierung zu unterstützen. Steht man eher rechts, hat man die deutsche Regierung zu unterstützen. So einfach ist das. 
Die Meinung an sich reicht aber nicht, man wird dauernd dazu ermutigt, ja fast genötigt, Farbe zu bekennen, in Alltagsgesprächen, beim Friseur, in der FB-Diskussion, über FB-Shares, im Teletextvoting, beim BILD-Referendum. Es reicht schon, D-Promi zu sein, damit ein Griechenland-Zitat von dir abgedruckt wird. Immer hübsch von der Meinungs- und Redefreiheit Gebrauch machen, auch wenn dabei die überflüssigste, verbale Diarrhoe herausgepurzelt kommt, die man sich vorstellen kann. Die natürlich unglaublich viel Einfluss auf die konkreten Entscheidungen der Bundesregierung hat.

Und das Schlimme ist, es findet sich so gut wie immer ein Publikum. Entweder Leute, die die gleiche Position vertreten und sich dann auf dein Statement einen 'runterholen oder eben die Gegenposition, die Zeter und Mordio schreiend auf dich drauf springt.


Ihr werdet zumindest von mir nie wieder was über Griechenland lesen, erst rechts nichts über die Krise an sich, und es wird von meiner Seite aus nie eine „hochbrisante“ Diskussion über das Thema stattfinden. Ich bin froh, wenn ich das Wort „Griechenland-Krise“ nicht mehr tippen muss. Noch schöner wäre es, wenn ich es auch nich mehr (so häufig) lesen müsste.

1 Kommentar:

  1. Heute haben immer mehr Menschen immer weniger Ahnung, aber zu allem stets eine Meinung. Es wird nachgeplappert, was das Zeug hält. Und dabei so getan, als wäre es die eigene Meinung.

    Kaum einer traut sich noch in einem privaten Gespräch einfach mal selbstbewusst zu sagen: "Dazu kann ich nichts sagen. Damit habe ich mich nicht genug beschäftigt." Dummheit ist aber nicht die Abwesenheit einer Meinung zu allem, sondern der Mangel an Fragen und Interesse. Und genau das ist weit verbreitet. Es wird nicht hinterfragt und es gibt kaum Interesse an irgendetwas, was außerhalb des eigenen kleinen Mikrokosmos liegt. Sokrates Weisheit: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." sollte heute mehr denn je gelten.

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