Alix sitzt auf der Arbeit vor ihrem PC. Alles zieht sich. Irgendwie macht das so keinen Sinn. Plötzlich schleicht sich ein Gedanke ein. Irgendwie passt da was nicht. Muss das alles so? Ist das eine Phase oder vielleicht sogar ein generelles Problem?
Kurzerhand beschließt sie, ihren Job zu
kündigen. Sie plündert ihre Lebensversicherung und kauft sich ein altes,
klappriges Wohnmobil, um damit Hals über Kopf nach Italien runter zu düsen.
Raus aus dem Hamsterrad. Raus aus den Klauen des Meisters, der sich Arbeit
nennt.
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by preussischer Widerstand |
Alix Faßmann, ungefähr mein Alter, ist
Journalistin von Beruf. Sie blickt auf einen Musterlebenslauf zurück. Musterabi,
Musterstudium, Mustervolontariat. Eine leistungsbereite und ehrgeizige junge
Frau. Brav. Dann der erste Job als Redakteurin bei einer Berliner Tageszeitung
und schließlich gelingt ihr der Coup bei der „großen Volkspartei“, wie sie die
SPD nennt. Noch ein wenig Durchhaltevermögen, ein paar Überstunden, der Kopf im
Rektum des Chefs und die Karrieremaschine hätte sie vollkommen verschlissen. Stattdessen
entscheidet sie sich für die totale Verweigerung, wenn sie in der Einleitung ihres
Buches „Arbeit ist nicht unser Leben“
schreibt:
„Ich
wollte mir endlich einmal ganz genau die Widersprüche anschauen, die uns immer
wieder in die Ecke treiben: Selbstverwirklichung und Selbstverwertung,
Altersvorsorge und Nachwuchs, Rebellion und Gehorsam, Kreativität und
Kontrolle. Und natürlich die vielbeschworene Krise, die uns weitermachen lässt,
weil sonst alles den Bach runtergehen soll.“
Aus ihrer persönlichen Geschichte heraus
beginnt sie grundsätzliche Fragen an das System von Arbeit, bzw.
Arbeitslosigkeit zu stellen und zu diesem Thema zu recherchieren. Was bedeutet
Arbeit in unserer Gesellschaft? Weshalb ist sie so ein zentrales Thema für die
aller meisten von uns. Zunehmend zweifelt sie dieses von der vorherigen Generation gegebene Versprechen von Wohlstand und Sicherheit durch Arbeit an. Gilt das noch? Oder sollen wir nur glauben, dass es noch gilt, damit wir schön weiter kleine Rädchen bleiben?
Dieser Wandel von der vielversprechenden
Karrieristin hin zur größten Kritikerin an Karriere und Arbeit macht in meinen
Augen die Authentizität dieses Buches aus. Da spricht keine Systemverliererin,
die einfach ein bisschen über die Ungerechtigkeiten stammtischmäßig meckern
möchte. Außerdem lässt sie die Geschichten und Erfahrungen anderer Menschen
miteinfließen und zeichnet so einen Querschnitt unserer Generation und deren
aktueller Probleme nach.
Zwar steht im Titel „Anleitung zur
Karriereverweigerung“. Wer hier allerdings einen Lebensratgeber a la „So kommst
du aus deiner langweiligen und nervtötenden Arbeit raus“ erwartet, sollte lieber die Finger von diesem Buch lassen. Das ist kein weiteres von
diesen Berufscoaching-Büchern, die dich zum erfüllenden Traumjob bringen
sollen. Und ich muss sagen: Gott sei Dank.
Dies ist ein politisches Buch mit einer
radikalen Kampfansage an den gegenwärtigen Turbokapitalismus. So versucht Alix
Faßmann ihre Verweigerung auch konsequent zu Ende zu denken und entscheidet sich
nicht für eine verträumte Weltflucht. Die Lösung des Problems sieht sie nicht
in der Gründung einer alternativen Kommune oder einer Partei. Stattdessen wird
sie sehr aktiv und erschafft in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten im Internet das
Haus Bartleby – Zentrum für Karriereverweigerung. Obwohl ich diesen Ort
grundsätzlich gut und wichtig finde, ist die Gestaltung der Page ein wenig
unübersichtlich und schwer zu handeln. Ich fürchte, dass die Jungs und Mädels daran noch ein wenig feilen müssen. Aber nichts desto trotz möchte ich unbedingt die Reiter
„Kinemathek“ (Werkreihe) und „Kapitalismustribunal“ empfehlen. Sehr informativ.
Alix Faßmann, Arbeit ist nicht unser
Leben, Lübbe Verlag, ISBN 978-3-7857-6104-5
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