Dienstag, 23. Februar 2016

„Tiere sind viel besser als Menschen! Sie haben mich noch nie enttäuscht!“


Solche Sachen sagen wohl sozial Beeinträchtigte, die sich nicht eingestehen wollen, sozial beeinträchtigt zu sein. „Menschen sind sooo scheiße, ich werde immer belogen und betrogen und verlassen und ich kann gar keinem mehr vertrauen“. Weinerlich die Opferhaltung einnehmen. Immer den Fehler bei den Anderen, im Außen suchen. Und nicht den Gedanken zulassen, dass es vielleicht an den eigenen verkorksten Beziehungsmustern und Erwartungshaltungen liegen könnte, warum man immer an Leute gerät, die einen enttäuschen.

Stellt euch mal vor, die ganze Menschheit wäre nicht von Grund auf verdorben und böse (obwohl das ein sehr verführerischer Gedanke ist), sondern ein komplexes Netz sozialer Interaktionen, in dem jedes Individuum eigenverantwortlich agiert und reagiert. Ein System, das man vielleicht als schlecht und ungerecht empfinden kann, dessen Teil man jedoch immer ist und welches man immer, immer, auch unfreiwillig mitbeeinflusst. Vor der regelmäßigen Konfrontation mit seinen eigenen Gefühlen, Beweggründen und Handlungsmustern, besonders den destruktiven und selbstschädigenden, sollte man deshalb keine Angst haben. Natürlich ist es einfacher, sich mit allem möglichen Kram abzulenken. Schwieriger ist es, sich selbst mit der eigenen Fehlerhaftigkeit und Ängsten auszuhalten.

Ich gehöre übrigens auch zu den sozial Beeinträchtigten. Und es wäre ein leichtes, den ganzen Wichsern, die mich über Jahre gemobbt und gepeinigt haben, die Alleinschuld für mein vermurkstes Dasein zu geben. Aber ich weiß, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als das Erlebte zu bearbeiten und verstehen zu lernen, warum ich so fühle und handle, wie ich es heute tue.

Und mal ehrlich, das kann einem kein Haustier, so niedlich und liebenswert es auch sein mag, der Welt abnehmen.


3 Kommentare:

  1. Auf den Punkt gebracht! Etwas sarkastisch habe ich das mal vor Jahren formuliert: "Köter statt Kinder!"

    An der aktuellen Flüchtlingskrise sieht man schnell, dass viele "typische Deutsche" ihre Haustiere und Tiere im Allgemeinen deutlich mehr mögen und lieben, als Menschen. Menschenverachtung und Tierliebe. Über sie kann man bestimmen, herrschen, ihnen Befehle geben. Sie funktionieren (meistens), gebe keine Widerrede, machen keine Vorwürfe, kritisieren nicht. Und tun alles, um ein bisschen Zuneigung zu erhalten. Für nicht Wenige scheint so etwas, das perfekte Wesen zu sein. Einen Diener haben. Und gleichzeitig wird Haustieren eine höhere Moral, ein Gerechtigkeitsempfinden und was weiß ich noch alles zugesprochen. Sie werden überhöht und unterdrückt. Das sie alle zu Schmusemonstern und Befehlsempfängern gezüchtet wurden, und das keineswegs in der Natur so ist (da herrschen die Instinkte), wird oft verdrängt. Und wer das thematisiert, ist natürlich sofort ein Tierhasser. Dabei mag ich Katzen ;-)

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  2. Du sagst Wahres, Epikur sagt auch Wahres. Kann zutreffen, graduell oder komplett, muss aber nicht. Es wird viele solche Menschen geben.

    Ich steuere noch eine Komponente bei. Du schreibst:

    Immer den Fehler bei den Anderen, im Außen suchen. Und nicht den Gedanken zulassen, dass es vielleicht an den eigenen verkorksten Beziehungsmustern und Erwartungshaltungen liegen könnte, warum man immer an Leute gerät, die einen enttäuschen.

    Es gibt meiner Erfahrung nach (x Jahre verschiedene Gruppentherapieformen für Angehörige von Suchtkranken) neben dem Teil, auf den deine Beobachtung zutrifft auch den Teil, das betrifft insbesondere Frauen, so weit ich das beurteilen kann, die WISSEN was Sache ist, aber aus den Mechanismen nicht herauskommen. Aus verschiedenen Gründen, teils weil sie selber irgendwie irgendwas blockieren, teils weil es zum Beispiel keine Therapieplätze, wo sie andere Verhaltensweisen kennen lernen und Coping-Mechanismen um die überhaupt anwenden zu können lernen können. Das ist nicht nur mit Wollen gemacht.

    Klassisches Partnersuche-Drama bei erwachsenen Kindern von alkoholkranken Eltern, findest du in jeder Al-Anon-Selbsthilfegruppe oder was weiß ich x-fach: Mein/e Partner/in soll nicht süchtig sein. Natürlich "will" man keinen süchtigen Menschen als Beziehungspsartner, man weiß ja was die Sucht früher zerstört har und oft auch wie am Arsch und kaputt man deshalb ist. ABER: Wer so aufwächst oder auch nicht so aufwuchs und dann längere Zeit andersweitig mit Süchtigen lebte ist von seinen eigenen Reaktionen her einfach um zu überleben drauf gedrillt, das ist im Programmiercode, das geht nicht einfach so raus, und dann ist man natürlich auch für Menschen, die nicht irgendwas mit Sucht an sich haben nicht attraktiv. Klassiker: Frau mit "Beziehungsmagersucht", also großen Näheproblemen etc., - Mann mit wie auch immer gearteter Sexsucht. Findest du etliche Male als Thema in Meetings. Klassiker: Mann übernimmt Vaterrolle in Beziehung, für die Frau. Der weiß, er ist als gleichwertiger Partner nicht interessant, kann aber nicht anders und die Frau, die sich das andere Extrem und alles anderes was es sonst noch gibt, das sind wie gesagt die Klassiker hier, weiß das auch. Ideale Kandidaten um die innere Leere, die man vielleicht gar nicht benennen kann, weil Süchtigenkinder keine Gefühle haben dürfen - weshalb viele als Erwachsene auch mit Emotionen nicht klar kommen -, mit einem Haustier, was dann entsprechend vergöttert wird, damit man selbst sich wertvoll fühlt zu füllen. Vereinfacht gesagt Teddyersatz. Das gibt es bei x psychichen Krankheitsbildern. Es ist nicht immer der Unwille sich mit sich auseinanderzusetzen, manchmal gibt es nur dieses Mittel, wenn der Therapieplatz fehlt etc.

    Da ist es leicht gesagt, diese Kompensation "abzukanzeln". Ich habe mich auch jahrelang über "die Schmuser" aufgeregt, weil ich es nicht kapiert habe (das war bevor das mit meiner Mutter so bergab ging). Dann erst konnte ich differenzieren. Es gibt wie oben gesagt Leute auf die es zutrifft wie du und Epikur sagen, aber die werfe ich nicht mehr mit den anderen in einen Topf. Hab ich gelernt. (Das ist keine Kritik an dir, falls das so rüberkommen sollte, als würde ich deine Ansicht aburteilen wollen, tue ich nicht).

    Du schreibst: Aber ich weiß, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als das Erlebte zu bearbeiten und verstehen zu lernen, warum ich so fühle und handle, wie ich es heute tue.

    Richtig und gut. Was ist denn die Folge von dem Verstehen? Wie genau sieht das Handeln aus? Das sind rhetorische Fragen. Mich geht das nichts an. Mit Wissen ist immer nur der erste Schritt gemacht.

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  3. Im Schnitt das ungesündeste Verhältnis zu ihren Lieblingen haben mMn die Hundehalter. Was man da zu hören bekommt (und mit welcher Inkompetenz in Haltungs- und Erziehungsfragen das oft gepaart ist…grauenhaft), was die Leute alles in ihre Hunde hineininterpretieren, ist schon traurig. Ich mag Hunde gern, kenne auch ein paar liebe Exemplare aus Familie/Bekanntenkreis. Aber bei vielen Haltern ist mir der Charakterzug irgendwie unsympathisch, auf Haustiere abzufahren, die unterwürfig zu einem hochschauen und von denen man sich um Fresschen oder Streicheleinheiten anbetteln lässt. Da weiß ich bei manchen dann nicht, soll das jetzt ein Kinderersatz oder doch eher ein Objekt zur Befriedigung von Machtkomplexen sein…weiß auch nicht, was schlimmer ist.

    Man sollte ja meinen, wer ein Tier hält und es somit gänzlich von sich abhängig macht, hätte sich vorher mal so ganz grundsätzlich darüber informiert, wie dieses Tier denn so "tickt" und was für Bedürfnisse es hat. Erst letztens von einer ca. 16-Jährigen gehört, die meinte, sie will gern Haustiere, aber bitteschön keine Mäuse, denn die würde ja zu Ratten, wenn sie ausgewachsen sind… /:
    Das ist wohl zum Glück ein Extrembeispiel.

    Aber gut, das war jetzt auch nicht ganz dein Thema.
    Ich denke schon, dass es diesen Typ Mensch gibt, den du beschreibst, aber nach meiner subjektiven Erfahrung ist der gar nicht so häufig. Am ehesten begegnet mir im Alltag die Klischee-erfüllende crazy-cat-lady vom Typ verbitterte mittelalte Frau, die die Wechseljahre schon hinter sich hat und (ob alleinstehend oder in Partnerschaft) erkannt hat, dass ihre Wert auf dem Attraktivitätsmarkt gegen Null geht. Aber eigentlich auch nicht so häufig.

    Naja, egal, fest steht, wer einen solchen Satz absondert wie in deiner Überschrift, dem ist am besten geraten, wie du schon sagst, eher mal sich selbst zu hinterfragen anstatt seine Gefühle auf Wesen zu projizieren, die diese weder verstehen noch erwidern können.
    Aber ich habe das Gefühl, das sich-selbst-Hinterfragen ist ausgerechnet bei denen, die es nötig haben, stark ins Hintertreffen geraten.
    Ein Experiment wäre mal interessant, bei dem man eine Gruppe solcher Externalisierungs-Profis für 2 Wochen zusammen einsperrt und anspruchsvolle Aufgaben lösen lässt. und schaut, wie da die Dynamik ist. Ob die sich irgendwann alle gegenseitig an die Gurgel gehen oder ob, wenn keiner da ist, der sich Schuld oder Verantwortung zuschieben lässt, dann doch sowas wie Selbstkritik aufkeimt… Naja, ich fürchte, ich kenne die Antwort ;)

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