Die ominöse Generation Y. Viel zitiert,
viel kritisiert, oft gefeiert. Welche Altersgruppe sie genau abdeckt, wird in
den Quellen unterschiedlich angegeben. Manchmal gehöre ich mit meinen knapp
über 30 noch dazu, manchmal werden nur die aktuellen Twentysomething dazu
gezählt. In einem Wikieintrag ist die Rede davon, dass es sich dabei um die
Personen handelt, die zwischen 1990 und 2010 Teenager gewesen sind. Dort werden
sie auch als Millennials, also als Jahrtausender bezeichnet, die Zeit, zu der ich
ungefähr mein Abitur abgelegt habe.
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Um es mal vorweg zu nehmen: Diese
Schubladen, in die man ganze Generationen reinstopft, mit dem Stempel versehen:
„Puh, jetzt hat das Kind einen Namen“, halte ich für absoluten Schwachsinn. Ich
glaube nicht, dass man eine ganze Generation über einen Kamm scheren kann.
Sicher gibt es Tendenzen, aber da erschöpft es sich auch schon. Was ich allerdings
schon beobachten kann, sind reale gesellschaftliche Entwicklungen, die eine
junge Generation beeinflussen.
Nun habe ich nicht ellenlange Fachliteratur
zum Thema Generationen Y gelesen. Meine Kenntnisse beschränken sich auf ein
paar Artikel aus der Zeit und dem Spiegel. Doch diese haben gereicht, um mich
völlig irritiert zurück zu lassen. Oft konnte ich da nur denken: „Wow! Solch
einer super selbstbewussten, total selbstkritischen, unerhört leistungsfähigen
und unfassbar flexiblen Generation, die
sich die Jobs aufgrund des Fachkräftemangels quasi aussuchen kann, gehöre ich
also an?!“ Unsere Generation strebt Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung
an. Selbstoptimierung ist wie eine zweite Haut für uns. Uns sind feste
Arbeitsverhältnisse nicht mehr so wichtig, dafür aber umso mehr das Feedback des
Chefs, natürlich auf Augenhöhe. Ständig sind wir kompromisslos auf der Suche nach dem
großartigen, sinnstiftenden Job und gleiten so mühelos direkt nach dem Studium
in eine Führungsposition. Nur seltsam, dass dieses heroische Bild, welches da
gezeichnet wird, absolut und auch rein gar nichts mit meiner Lebenswirklichkeit
zu tun hat.
Meine Realität sieht nämlich so aus,
dass ich in einer Maßnahme vom Arbeitsamt zwischen Architekten und Psychologen,
Lehrern und Sozialpädagogen sitze und wir dürfen uns u.a. einen ganzen Tag lang etwas über
die richtige Ernährung und das richtige Maß an Bewegung anhören. So als
Hartzer hängt man ja schließlich nur den ganzen Tag auf der Couch rum und
glotzt RTL, während man sich den Schritt krault.
Für die meisten in meinem Umfeld
gestaltet sich der Berufseinstieg ziemlich schwierig und wenn sie es denn
schaffen, schleppen sie sich von einer Befristung in die nächste. Die Familiengründung
muss da natürlich hinten angestellt werden. Ohne halbwegs vernünftige
Planungssicherheit sind Kinder schon ein Schritt, den man sich überlegen
sollte.
Aber wenn sich Paare trauen ein Kind zu
bekommen, ist zumeist die Mutter gezwungen daheim zu bleiben. Es ist schon Pech,
wenn die dritte Befristung ausläuft und sie damit direkt in die Arbeitslosigkeit
katapultiert wird. Doch die Uhr tickt, das Leben wartet nicht. Einen neuen Job
zu finden wird dann oft schwerer, weil es wiederum an
Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder fehlt. Aber selbst wenn diese gegeben sind, ist so
mancher Chef trotzdem noch nicht ganz überzeugt. Schließlich warten 200 andere
Bewerber, ohne Kinder, mit mehr Berufserfahrung und einem besseren Abschluss in
Arschkriecherei.
Der oft eingetrichterte Glaubenssatz man
müsse nur hart genug arbeiten, dann könne man zu Wohlstand gelangen, ist doch
schon lange eine Illusion. Auch Selbstverwirklichung hat bei vielen längst nicht mehr die höchste Priorität. Reduziert auf eine betriebswirtschaftliche Kennziffer geht es eher darum,
von der Arbeit überhaupt leben zu können. Auch wenn es ein bisschen emotional
klingt, kommt es mir oft so vor, als ob die Reichen immer reicher und die Armen
immer ärmer werden.
In diesem Zusammenhang höre ich oft den
Vorwurf der Alten, wir würden nicht mehr genug auf die Straße gehen, nicht mehr
rebellieren und demonstrieren. Schnell wird das romantische Bild von
irgendwelchen beziehungsunfähigen 68ern ausgegraben. Dabei hängen die längst
fett und satt in irgendwelchen Chefsesseln. Der Geist der 68er ist tot. Wir
haben heute andere Probleme, für die wir andere Lösungen brauchen.
Der Unmut wächst. Wenn man nicht völlig
blind ist, kann man das durchaus beobachten. Ich möchte nur an Occupy Wall
Street, We are the 99% oder Blockupy erinnern. Mir kam das schon wie Protest vor. Ebenso
möchte ich an dieser Stelle auf das Haus Bartleby hinweisen, dass ihr auch
links in unserem Blogroll findet. Zusammen mit dem Club of Rome haben sie das
Kapitalismustribunal eingerichtet, indem es jedem frei steht eine (reale) Klage
einzureichen, die vor dem Wiener Gerichtshof im November verhandelt werden
soll. Näheres findet ihr hier. Ob es etwas bewegen wird, bleibt abzuwarten. All
dies sind Prozesse, die nicht von heut auf morgen greifen.
Gute Nacht.
"Schließlich warten 200 andere Bewerber, ohne Kinder, mit mehr Berufserfahrung und einem besseren Abschluss in Arschkriecherei."
AntwortenLöschenGenau so ist es. Wir können heutzutage froh sein, überhaupt irgendeine Lohnarbeit zu bekommen. Deshalb ist die Frage an Kinder: "Was willst Du später einmal werden?" mittlerweile völlig realitätsfremd. Er/sie kann später froh sein, überhaupt irgendetwas zu bekommen. Denn die Arbeitsplätze werden immer weniger und nicht mehr: Automatisierungsprozesse, Roboter/Maschinen statt Menschen, Kürzungswut etc.
Der Sog. "Fachkräftemangel" ist letztlich auch eine Riesenlüge, um die Reservearmee stets groß genug zu halten. Denn nur so kann man schön die Löhne drücken. Wo kämen wir denn hin, wenn es einen echten Mangel an spezifischen Arbeitskräften wirklich geben würde und der "Arbeitgeber" auf seine wenigen Bewerber angewiesen wäre? Der könnte ja Urlaubsgeld verlangen bzw. einen unbefristeten Arbeitsvertrag? Oder noch dreister: einen existenzsichernden Lohn.