Freitag, 24. Juli 2015

Gewinnspiele und Erniedrigung


Facebook-Gewinnspiele finde ich noch grauenhafter als "normale" SMS- oder Postkarten-Gewinnspiele. Die, an denen man aus stumpfer Langeweile oder Begierde nach dem verlosten Objekt teilnimmt. Wahnsinn, den Begriff "Begierde" in diesem Kontext zu verwenden. Aber der ist wohl gar nicht so unangemessen, wenn man an die unersättliche Gier der Menschen nach Dingen denkt.

Warum sind Facebook-Gewinnspiele kacke? Weil man nicht mehr irgendeine Knobelei entknobeln, ein Lösungswort herausfinden oder eine richtige Zahlenkombination erraten muss, um in die Gewinnerauswahl zum kommen. Es reicht nicht mehr, sich auf sein Kreuzworträtsel-Allgemeinwissen oder einfach den Zufall zu verlassen. Nein, man muss betteln. 

Ich meine damit nicht die FB-Verlosungen, bei denen man einfach nur einen Like oder Share abgeben muss um teilzunehmen, sondern die, bei denen man in der Kommentarsektion erklären muss, warum man das Objekt haben will und warum man das Give-Away höchstpersönlich verdient. Schon nach wenigen, gelesenen Kommentaren zeichnet sich das traurige Bild konsumgeiler Menschen ab, die wortreich und mit höchster Verzückung den in Aussicht gestellten Gewinn und natürlich auch die Hersteller loben. Ein hundert-, manchmal auch tausendfacher Chor schreit: "BITTE, BITTE, BITTE, ich brauch das, gib mir das, ich spring voll an auf dieses Konsumprodukt, es sieht geil durchdesignt aus, so wie ich, also das passt total gut zusammen. BITTE! Ich sag dann auch das ihr die geilsten seid, auf meiner FB-Timeline, alle meine Freunde sehen das dann und das ist doch richtig gute Werbung für euch!
 
"Brauchen", der Ausdruck wird so überstrapaziert in dem Kontext. Und zwar oftmals von vollkommen übersättigten, alles habenden, zu Tode gelangweilten Menschen, die ein flüchtiges Hochgefühl aus dem Gewinn eines überflüssigen Produkts, dass sie meistens nur wollen und nicht brauchen, schöpfen möchten. Da bettelt man eben um die 500ste Handtasche, das dritte Auto, das stylische Reisekosmetikset, obwohl man nie verreist und sich nicht schminkt. 

Bezeichnend für diese Art von Online-Gewinnspielen ist zudem, dass fast nie ausschließlich praktische  Sachen, wie Klobürsten, Staubsaugerbeutel oder Druckerpapier ausgeschrieben werden. Es sind ja keine Lifestyle-Produkte. Sondern Lebensführungs-Produkte. Und für die muss man halt wie 'ne Omma einen Coupon aus der "Frau mit Herz" schneiden.
 

2 Kommentare:

  1. ""Brauchen", der Ausdruck wird so überstrapaziert in dem Kontext. Und zwar oftmals von vollkommen übersättigten, alles habenden, zu Tode gelangweilten Menschen, die ein flüchtiges Hochgefühl aus dem Gewinn eines überflüssigen Produkts, dass sie meistens nur wollen und nicht brauchen, schöpfen möchten."

    Sehr schön auf den Punkt gebracht! Produkte werden selten wirklich gebraucht, sondern vielmehr verbraucht. Für ein kurzfristiges Habengefühl, das weder echte Freude hervorbringen, noch glücklich machen kann. Und die einzige Methode, dieses Gefühl wieder zu erlangen, ist, wieder etwas Neues zu kaufen, zu verbrauchen und dann wegzuwerfen. Wie ewig Süchtige begreifen wir nicht, dass genau das Gegenteil -die Abstinenz von tausend unwichtigen Dingen- zufrieden macht.

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  2. Ach Mensch, genau in dem Moment in dem ich den Kommentar versenden will kappt sich meine Netzverbindung… Also gut, noch mal. (Falls der andere doch irgendwo bei euch hängen sollte, sorry.)

    Stimme euch beiden zu. Auch wenn ich zu Facebook-Gewinnspielen speziell nichts sagen kann, weil ich bei Social Networks nicht mitmache. Das Phänomen wie du es beschreibst, Pasota, gibt es aber doch auch in der Bloggerszene. Ich kenne es daher. Ich finde Gewinnspiele, Verlosungen etc. generell bescheuert (geht in erster Linie ums Datenabgreifen, was dann wie bei Kraken ala FB, google etc. gern vergessen wird) und funktioniert meines Erachtens nach im Gehirn ähnlich wie der andere Datenabgreifer Payback. Da sammelt man ja auch weil man irgendwas von den tollen Sachen, die da als Prämie angeboten werden haben will. Bei den Verlosungen im Netz kommt halt neben dem „Haben will“-Reflex und dem Kick, das man eventuell diesen oder jenen Gegenstand dann hat noch der Kick hinzu, das man für einen Moment lang jemand IST, denn derjenige, der verlost bekommt ja viele Klicks, Likes, Shares und was weiß ich und wenn die „Teilnehmer“ auch alle verlinkt sind, dann bekommen eventuell auch die etwas von der Aufmerksamkeit ab und wenn der Verloser „bekannt“ ist pusht vielleicht schon der Gedanke, dass man mit dem allein durch die Teilnahme „assoziiert“ wird. Und wenn man von dem dann auch noch den begehrten Gegenstand bekommt… Ich kann das zwar nicht verstehen, aber ich kann ja auch nicht verstehen warum jemand eine bestimmte Anzahl Facebook-Freunde „braucht“ (oder Facebook und Konsorten überhaupt) oder für sein Blog eine bestimmte Anzahl an Followern „braucht“.

    Dann gibt es ja auch noch das, was (unter anderem) Epikur schon mal in seinem Blog dargelegt hat: Marketingindustrie. Für die sind Blogs und insbesondere solche, die sich nicht mit ernsten Themen, sondern zum Beispiel mit Konsumgütern oder Tieren, beschäftigen potentielle Streuungspartner für ihre Werbung und darauf springen natürlich gerade die „Haben will“-Leute an. Siehe das „Bitte, bitte“ was du beschreibst. „Haste was, biste was“ ist eben wichtiger als irgendwas mit eigner Persönlichkeit, die hat schließlich nur konditioniert einen Marktwert. Und ich glaube Leute so um die zehn Jahre jünger als wir – also Leute die nicht mehr in den siebziger-achtziger Jahren zur Welt kamen -, die verstehen auch gar nicht mehr unbedingt, dass die marktkonforme (auf den Sabberreflex *will haben* mit Bettelei zu reagieren ist marktkonform) Persönlichkeit eben nicht die eigene ist, weil die eigene oft gar nicht mehr ausgebildet werden darf, da sie nicht verwertbar ist. Ältere sehen das und passen sich oft an. Die Marketingindustrie – alles natürlich junge, hippe, super kreative Köpfe – reibt sich die Hände…


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