Deutsche Jugendliche leben immer
gesünder. Sie rauchen weniger, trinken weniger, rennen fünfmal die Woche ins
Fitnessstudio und ernähren sich von Chiapudding und Erdmandelmehl. Spätestens
Anfang 20 wird dann nur noch vegan gegessen. Mich ödet das so an.
Ja, ich gebe es zu. Auch ich habe so
eine Phase hinter mir. Etwa 1 Jahr lang
habe ich mich mit 20 vegetarisch ernährt. Irgendwann habe ich dann wieder angefangen Fleisch zu
essen, aber nie wieder in den Mengen, wie ich es von zuhause her kannte. Diese
Reduzierung meines Konsums ist mir aber auch nicht schwer gefallen, da ich
wirklich gerne Gemüse esse und oft auch keine Lust auf Fleisch habe.
Prinzipiell habe ich auch nichts gegen vegane Ernährung. Da ich alles
Mögliche gern esse, bestelle ich mir auch dann und wann gerne einen
Veggieburger oder probiere ein veganes Kuchenrezept aus. Why not?
Trotzdem provoziert dieser ganze, fast
religiöse Hype um vegane Ernährung bei mir oft nur Augenrollen.
Deshalb stelle ich heute meine Top 6 an
Aussagen vor, die mich von, wohlgemerkt Hardcore-Veganern nerven:
1.
Vegane Ernährung ist gar nicht
teurer
Nö,
natürlich nicht, wenn man sich nur von Gemüse und Obst ernährt. Wobei – Obst
und Gemüse stammen dann in der Regel natürlich nicht aus dem Discounter.
Schließlich muss ja alles Bio sein, wenn man es konsequent betreiben will. Denn
letztlich ist das nicht nur eine Ernährungsweise, sondern eine komplette Ideologie.
Aber dazu später. Ansonsten sind vegane Fertigprodukte, wie Tofu, Käse oder
Mandelmilch sehr wohl teuer. Ich möchte wetten, dass eine Familie mit Hartz IV vermutlich
nicht streng vegan essen wird, da ein 10 Euro teures Glas mit Mandelmus eher
nicht so ins Budget passt. Eine junge Studentin, die sich Tag für Tag durch das
Kayla Itsines Sportprogramm quält und glaubt, sich dazu noch vegan ernähren zu
müssen, kratzt sich das Geld wahrscheinlich schon eher zusammen. Diese Mädels
haben aber auch noch die Zeit sich den ganzen Tage nur mit sich selbst und
ihrem Körper zu beschäftigen. Schließlich geht es neben dem Schutz der Tiere
auch um Selbstoptimierung.
2.
Vegane Ernährung ist super easy
Wo
ist es denn bitte einfach sich vegan zu ernähren? Wo wir wieder bei Punkt 1
wären. Ich esse gerne abwechslungsreich und möchte nicht ausschließlich
gedünstetes Gemüse essen. Das geht wahrscheinlich wirklich schnell. Doch wenn
ich mich abends nach der Arbeit noch in die Küche stellen muss, um mir ein
veganes Bananenbrot mit veganem Frischkäse komplett selbst her zu stellen,
finde ich das nicht gerade schnell gemacht. Schließlich kann ich dann nicht
mehr in die Betriebskantine oder zum Bäcker in der Mittagspause gehen, wenn ich
nicht jeden Tag Salat ohne Dressing essen möchte.
Aber
hey. Ist ja wieder alles nur eine Frage der Organisation, werden die meisten
sagen. Diese Veganhipster, die morgens um 5:30 Uhr Yoga machen, weil es so
erfrischt, um dann um 6:30 Uhr an ihren Startups basteln. Ein bisschen
Disziplin kann man schon erwarten, oder?
3.
Vegane Ernährung ist gesund
Naja.
Kommt vermutlich darauf an, wie man es persönlich umsetzt. Aber wenn ich in
veganen Shops das Angebot an Vitaminpräparaten sehe, schätze ich mal, dass
einige Veganer aus Ermangelung an Lust und Zeit ihre Ernährung mit solchen
Produkten ergänzen müssen. Die Tabletten sind natürlich ohne Schweinegelatine
hergestellt, versteht sich. Super vegan also.
Healthy
ist das neue Modewort. Vegane Produkte suggerieren diese Gesundheit. Dabei
macht es mich nicht gesund, wenn ich Weizengrassaft oder Dattelpralinen esse.
Diesen Denkfehler machen die meisten Menschen. Sie glauben, wenn sie Tofu
essen, werden sie hundert Jahre alt. Ganz so, als besäßen diese Lebensmittel
Zauberstoffe, die sie unsterblich machen. Das Motto vieler lautet dann: Viel
hilft viel. Aber wenn ich mich den ganzen Tag mit Gojibeeren und Bananen
vollstopfe, kriege ich höchstens Verstopfung.
Außerdem sind gerade vegane Fertigprodukte so voll von Zucker und Fett, dass ich mich
frage, was daran gesund sein soll. Neulich habe ich eher aus Versehen bei
Rossmann eine vegane Nougatschokolade gekauft. Die war echt der Hammer. So
lecker. Beim Blick auf die Zutatenliste
wurde mir aber schnell klar, dass die Tafel
im Grunde nur aus Zucker bestand.
Auch
ist vegan auch nicht in jedem Fall lecker, wie einige schwärmerische Veganer
immer vorgaukeln wollen. Sorry, aber ich habe Mandelmilch und auch Sojamilch
probiert und sie schmeckt einfach nur scheiße.
4.
Vegane Ernährung ist Lifestyle
Eigentlich
hätte dies auf meiner Liste Punkt 1 sein
müssen, so sehr hasse ich diese Perspektive auf vegane Ernährung. Ich sehe in
der Bahn öfter eine Oma mit einem „Go Vegan“-Anstecker an ihrer beigen Jacke. Dabei
ist genau diese Frau überhaupt nicht die Zielgruppe des veganen Lifestyles. Veganismus
ist mittlerweile zum Kennzeichen des
erfolgreichen, schönen und disziplinierten Menschen verkommen. Noch plakativer
gesagt: Gesunde, schlanke Menschen gelten als gut. Fette, ungesunde Menschen
als schlecht.
Gesundheit
ist damit auch keine Privatsache mehr. Jeder kann dir mittlerweile empört rein
reden, wenn du genüsslich in deine Schweineohrchips beißen möchtest.
Zudem
schmücken sich die meisten Veganer gerne
noch mit dem Gefühl der Überlegenheit, da kein Tier für ihr Mittagessen sterben
musste. Vor zehn Jahren hat es noch ausgereicht Vegetarier zu sein. Da war man
schon irgendwie besonders. Mittlerweile ist es noch nur die lahme Vorstufe zum
eigentlichen Ziel, zu dem man sich aber noch nicht ganz durchringen konnte: Veganismus.
Vegetarier sind unfertig und haben es nicht geschafft, allem Tierischen
abzuschwören.
Vor
10 Jahren konnte meine Freundin, die sich vegetarisch ernährt, noch guten
Gewissens sagen, dass sie dies tut, um Tiere zu schützen. Die meisten Veganer
lächeln heute darüber nur noch müde.
5.
Vegane Ernährung als Challenge
30
Tage vegan. So oder so ähnlich kündigen Blogger oder Youtuber ihren Einstieg in
vegane Ernährung an. Mir stellen sich da sämtliche Nackenhaare auf. Der Begriff
der guten, alten Selbstoptimierung kommt in mir wie Kotze hoch. Kann ich das
vielleicht als Zusatzqualifikation in meinen Lebenslauf schreiben? Wieder zeige
ich allen um mich herum meinen Leistungswillen und mein Streben nach Perfektion.
Ein perfektes Leben, einen perfekten Körper, eine perfekte Ernährung, nichts
weniger sollten wir anstreben. Wie heißt es in einem Spruch, den ich öfter in
letzter Zeit lese: „Excuses don’t burn
calories.“
6.
Vegane Ernährung schont die Umwelt
In einem
Zeitartikel beklagte sich eine junge Frau, dass es keinen vernünftigen veganen
Wintermantel gäbe. Nach langem Suchen fand sie endlich einen aus irgendeinem
Plastikmaterial. „Und jetzt?“ dachte ich
nach der Lektüre. „Ist das jetzt irgendwie besser?“ Gut, es muss ja nicht die
mit Daunenfedern gefüllte Steppjacke, mit Echtfellkragen sein. Bin ich jetzt
auch gerade kein Freund von. Aber hat man jetzt durch den Kauf von Plastikmüll
irgendetwas gewonnen?
Fazit:
Jeder muss am Ende selber wissen, ob er vegan leben will. Ich rede da niemandem
rein. Ein bewusster Umgang mit Ressourcen und Leben ist sicher nicht verkehrt.
Trotzdem halte ich vegane Ernährung nicht für den Heilsbringer, der einer
säkularisierten Welt neuen Sinn stiftet und die diffusen Sehnsüchte des
Einzelnen nach Ruhe und Naturverbundenheit befriedigt.
So und jetzt freue ich mich auf mein
veganes Kochbuch, welches meine Freundin mir hoffentlich bald zum Geburtstag
schenkt.