Donnerstag, 31. Dezember 2015

Silvesterpunsch Reloaded

 
by Stern.de

Alfred (das Ekel): Seitdem die Merkel dran ist, läuft auch nur noch Scheiße im Fernsehen. Als hart arbeitender Bürger habe ich doch wohl das Recht auf ein anständiges Fernsehprogramm an Silvester!

Else: Mach doch das Ding aus, das Essen ist eh gleich fertig. 

Alfred: Das wäre ja noch schöner, mir vom Essen das Fernsehen verbieten zu lassen. Die feinen Herren von der Regierung wollen uns ja sogar schon das Raketen knallen verbieten! Damit sich irgendwelche Mullahs und Kulis aus Tadschikistan, die hierher gekommen sind, um sich von uns durchfüttern zu lassen, nicht erschrecken.

Rita: Das kann dir doch egal sein. Du hast doch noch nie in deinem Leben Feuerwerksraketen abgefeuert, weil das nur was für Primitivlinge und Minderbemittelte sei, hast du gesagt.

Alfred: Darum geht es nicht! Es geht ums Prinzip! Warum soll ich mir das Recht auf gute deutsche Tradition absprechen lassen, nur  weil hier ein paar übersensible Kaffas nicht beim Schlafen gestört werden wollen. Wovon müssen die sich überhaupt schonen?! So arbeitsscheu, wie die sind...

Michael: Ja ja, der Mythos vom arbeitsscheuen Ausländer, der dem deutschen Bürger den Arbeitsplatz wegschnappt. 

Alfred: Halt du dich da raus. Du hast die ja schon am Bahnhof mit Champagner und Kaviar empfangen.

Michael: Also erstens waren es Mineralwasser und belegte Brötchen und zweitens bin ich wenigstens nicht so ein Unmensch wie du.

Else: Also da gebe ich Michael Recht. Die Leute haben doch bestimmt großen Hunger und Durst, nach so einer langen Zugfahrt. Vielleicht gab es keinen Speisewagen.

Alfred: Speisewagen, das wäre ja noch schöner. Die sollen erstmal beweisen, dass die hier sein dürfen. Aber unsere Frau Bundeskanzlerin lädt sie ja alle ein. Und am Ende ziehen die nebenan ein und vergreifen sich an unseren Töchtern.

Else: Was?? Aber nebenan wohnt doch Frau Suhrbier.

Rita: Ach, du willst nicht, dass Deutsche mit Ausländern zusammen sind? Ich dachte, die Rückenmassage von der zwanzigjährigen Thailänderin letztens hätte dir so gut gefallen...

 Alfred: RITA!!!

 

Montag, 21. Dezember 2015

Kreativität für alle - "Big Magic" von Elisabeth Gilbert



Rezensionen, egal ob über Bücher oder Veranstaltungen sind hier auf dem Blog in der Regel nicht ganz so beliebt. Eigentlich schade. Dabei stecken wir immer ganz besondere Mühe in diese Posts.

Auch heute möchte ich wieder über ein Buch schreiben, dass mir sehr am Herzen liegt. Obwohl ich mit Vorbildern eigentlich nicht viel am Hut habe, gibt es doch ein paar Menschen, deren Art und Meinung ich sehr respektiere und denen ich einfach gerne zuhöre. Elisabeth Gilbert gehört eindeutig dazu. Gerade als Frau finde ich es immer wieder schwierig, Frauen in der Öffentlichkeit zu finden, die mich inspirieren und die ich schätzen kann. Leider muss ich dazu sagen, hat die Geschichte nur wenig Frauen hervor gebracht, die meinen Maßstäben genügt hätten. Fairerweise muss ich aber hinzufügen, dass es auch nicht besonders viele Männer gibt, von denen ich sagen würde, dass sie mich inspirieren. 

Aber zurück zum Buch oder viel mehr zur Autorin. Einige kennen sie vielleicht von ihrem Weltbesteller „Eat, Pray, Love“, welcher auch mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt wurde. Wahrscheinlich hören spätestens hier schon einige augenrollend auf zu lesen. War das nicht dieser Film, wo eine Frau auf einem Selbstfindungstrip durch drei Länder reist? Gähn. 

Doch man sollte da nicht vorschnell urteilen. Ich habe bereits einige ihrer Bücher gelesen und schätze ihre bodenständige, natürliche und witzige Art. Sie hat die seltene Gabe in einem hinreißenden Plauderton, leicht und selbstironisch über sich und ihre Erlebnisse zu fabulieren und dabei weder Tiefe, noch Echtheit vermissen zu lassen. Sie ist eine Frau, die sowohl Frauen, als auch Männer gern zum Kumpel hätten.
 
by preussicher Widerstand
Ihr aktuelles Buch „Big Magic“ hat sie dem Thema Kreativität gewidmet. Sicher ist dies ein sehr spezieller Bereich, von dem sich nicht jeder gleich angesprochen fühlt. Obwohl ich aus einer Familie mit kreativen Ambitionen stamme, zähle ich mich selbst eigentlich nicht zu dieser besonderen Spezies des kreativen Menschen. Dies liegt auch daran, dass ich bislang eine ziemlich eng gefasste Definition von Kreativität hatte. Spätestens nach der Lektüre dieses Buches habe ich aber begonnen diese zu überdenken. 

Kreativität gehört zum Wesen des Menschen

Der Grundtenor dieses Buches ist, dass Kreativität grundlegend im Wesen des Menschen verankert ist. Ohne diese wäre es dem Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach, überhaupt nicht gelungen so lange zu überleben. Erfindungsreichtum, Leidenschaft, Phantasie – all diese Dinge machen uns als Menschen aus und wir werden ausnahmslos alle damit geboren. 

Sicher bedeutet dies nicht, dass wir alle Da Vincis oder Picassos werden. Aber auch hier stellt Gilbert die berechtigte Frage, wer eigentlich festgelegt hat, dass unsere Kreativität nur dann ausgelebt werden darf, wenn sie Dinge hervorbringt, die Geld und Ruhm einbringen. Besonders in unserer leistungsorientierten, effizienzfixierten Welt, wird gerne alles auf Nützlichkeit, bzw. Verwertbarkeit abgeklopft. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass die selbst getöpferte Katzenstatue oder das handgestrickte Landschaftsbild nur einen Wert haben, wenn ein rotweinsaufender Typ, mit Hornbrille und Künstlerschal uns in der New York Times besprochen hat. 

Kreativität steht für sich.

Kreativität existiert unabhängig von Erfolg. Erfolg kann sich natürlich einstellen. Sicher ist es schön, wenn die Arbeit, die man in ein Projekt gesteckt hat, auch von anderen gewürdigt wird. Auch ist nichts anrüchiges dabei sein Glück zu versuchen. Aber letztlich ist es eben keine Voraussetzung dafür. 

Und die Autorin weiß wovon sie spricht. Trotz ihrem Weltbestseller, hat sie davor und auch danach einiges geschrieben, was sich nicht so gut verkauft hat. Die Messlatte schien mit einem Mal ziemlich hoch zu sein. Doch ihr Bedürfnis sich kreativ auszuleben wird aus einer ganz anderen Quelle, als der Sucht nach Ruhm und Anerkennung gespeist. 

Mit inspirierender Leichtigkeit spricht sie sehr persönlich und offen über ein Thema, welches in unserer Gesellschaft häufig nur einer kleinen gebildeten Elite vorbehalten bleibt. Sie bricht dabei das verkrustete Schubladendenken auf und lässt die vielen Widersprüche, die der Begriff der Kunst und Kreativität so an sich hat einfach ganz unbekümmert nebeneinander stehen. Sie versucht keine Definition. Ebenso wenig legt sie sich fest, wer für die Kunst geeignet ist und wer nicht. Sie macht nur eine Einschränkung. Wer kreativ schafft, muss auch bereit sein, hart zu arbeiten. Wobei sie deutlich darauf hinweist, dass sie damit nicht das Bild eines leidenden Künstlers im Kopf hat, der von Depressionen und Perfektionismus zerfressen seine Schaffenskrise in Alkohol ertränkt. Nein – für sie schließen sich Perfektionismus und Kreativität sogar vollkommen aus. Sie räumt mit der Vorstellung auf, dass man sich wie van Gogh ein Ohr für die Kunst abschneiden muss. Selbstzerstörung setzt keine kreativen Kräfte frei, sondern zerstört sie. 

Eine Sache, die wir gerne tun, ist eine Quelle der Freude und weiteren Inspiration. Vielleicht ist dies eine banale Erkenntnis. Auch erfindet Elisabeth Gilbert das Rad nicht neu. Dennoch finde ich wichtig, dass wir an diese Dinge immer wieder erinnert werden. Daher, als kleiner Tipp von mir, für alle die vielleicht noch ein Weihnachtsgeschenk suchen für Menschen, die dringend mal wieder ihren Malkasten oder ihr Schnitzwerkzeug aus der Schublade holen sollten, schenkt ihnen dieses Buch.

Ach, und falls noch jemand Bock hat, sich von dem Witz und Charme dieser Frau selbst überzeugen zu wollen, hier noch eine kleine Rede von Elisabeth Gilbert vor der

ICAN's Women's Leadership Conference





Kleine Anmerkung: Von dem Untertitel des Buches sollte man sich nicht in die Irre führen lassen. Klingt nach Selbsthilfebuch, ist aber für dieses Buch absolut falsch gewählt.
 

Samstag, 19. Dezember 2015

Esoterik ist unterlassene Hilfeleistung


Ich habe wieder einmal feststellen müssen, dass esoterische Lebensberatung (beispielsweise in Form von Büchern oder Coachings) nichts für Leute mit psychischen Erkrankungen ist. Häufig als Rettungsanker angesehen, der Halt geben soll, wenn andere Methoden nicht recht klappen wollen, kann sie in einer deutlichen Verschlechterung der Gesamtsituation des Kranken resultieren.
 
Du bist nicht krank

Seit einigen Jahren lese ich hin und wieder mal esoterische und populärpsychologische Selbsthilfebücher. Die meisten hatten Hand und Fuß und konnten mir einige neue, hilfreiche Sichtweisen vermitteln. Allerdings hatten sie einen beunruhigenden Ansatz gemein: psychische Störungen werden als solche nicht anerkannt;  es wird ihnen explizit und implizit der Krankheitswert abgesprochen. Stattdessen wird von "selbsterzeugtem Mangel",  schlechten Schwingungen und der Bestimmung des Einzelnen in der Ordnung des Universums geredet. Diese Verharmlosung der Krankheiten kann gefährlicherweise dazu führen, dass a) der Betroffene seine Behandlungsbedürftigkeit nicht akzeptiert und b) die gesellschaftliche Anerkennung von psychischen Störungen und die Rücksichtnahme auf Betroffene noch dürftiger werden, als sie es jetzt schon sind.

 Du bist selbst schuld

Die dort erläuterte "Behandlungsmethode" lautet: Abwälzung der Problematik auf die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen. Psychische Probleme (und auch organische Krankheiten) seien selbstverschuldet und könnten deshalb nur vom Jeweiligen allein und ohne Hilfe von außen gelöst werden. Die Störungsbilder seien ausschließlich durch die Veränderung von Denkmustern und Glaubenssätzen oder durch Einsatz von meditativen Praktiken oder Achtsamkeit zu beheben. Genetische und biologische Faktoren, die eine Medikation erfordern, werden vollkommen außen vor gelassen oder gar als Ausreden, um sich nicht mit den wirklichen Problemursachen konfrontieren zu müssen, verunglimpft.


Nur du allein kannst dir helfen

Stattdessen solle sich der Klient endlich mal aus seiner Opferhaltung begeben und vollste Verantwortung für sich und seine Lebenssituation übernehmen. Prinzipiell finde ich es einen guten Ansatz, seine persönliche Kraft und Entscheidungsgewalt anzuerkennen, um nicht hilflos und passiv dem Leben gegenüber zu stehen. Allerdings kann diese Anspruchshaltung gegenüber sich selbst einen psychisch Kranken unglaublich unter Druck setzen. Er muss nicht nur mit dem Leid seiner Krankheit klarkommen, sondern auch noch die Last seiner angeblich selbstverschuldet gescheiterten Heilung auf sich nehmen. Ein nicht endender Kreislauf von Überforderung, Verzweiflung und Selbsthass beginnt. Erfolglos versucht er sich wie Münchhausen am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen.

 Schulpsychologie ist schlecht für dich

Wie man sich denken kann, findet in esoterischen Ratgebern gleichzeitig eine allgemeine Abwertung der Schulpsychologie statt. Diese adressiere ja nicht die wahren Gründe psych. Erkrankungen, sondern wolle den Klienten nur möglichst schnell wieder zum funktionstüchtigen Rädchen machen und dabei massig Kohle mit Pharmazeutika verdienen. Dabei funktioniert die esoterische Selbstoptimierungs- und verwirklichungsschiene genauso wie unsere neoliberale Wirtschaftskultur! Auch hier gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied! Du musst dich anstrengen, du kriegst nichts geschenkt! Wer Hilfe annimmt, ist schwach! Wer es nicht alleine packt, hat es halt nicht anders verdient! Postmaterielle Selbstoptimierung unterscheidet sich von der materiellen anscheinend nur in den zu erreichenden Zielen und Werten, nicht jedoch in der Herangehensweise.

Für gesunde Menschen, die einfach nur unzufrieden mit ihrem Leben sind und in der Hinsicht Input brauchen, können Teilbereiche der Esoterik eine ganz interessante und inspirierende Angelegenheit sein. Wenn man die Kapazitäten und die Energie dazu hat, sich reflexiv und konstruktiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen, warum nicht. Ich sehe nur ein großes Problem darin, wenn depressiven, angst- oder persönlichkeitsgestörten Menschen vermittelt wird, es sei doch alles ganz einfach und sie seien nur zu faul oder zu feige, um ihre Heilung anzugehen. So ein Urteil könnte ich nämlich auch kostenlos von Großtante Erika beim Adventskaffee bekommen.

Montag, 14. Dezember 2015

Neuer Job



Nein, ich bin nicht zwischenzeitlich verstorben und auch nicht in den Untergrund abgetaucht - auch wenn mir dies lieber wäre - um dort gegen den Kapitalismus zu kämpfen, während Pasota hier die letzten Wochen tapfer die Stellung gehalten hat. Nein, ich habe seit ein einiger Zeit einen neuen Job. Vollzeit. Auch wenn ich mir immer wieder vorgenommen habe zu bloggen, war ich abends oft einfach zu müde. Auch fehlte mir trotz vieler Gedanken und Ideen die richtige Inspiration. Ich hatte wirklich vergessen, wie sehr die Arbeit das Leben bestimmt. Besonders wenn man von Montag bis Freitag so festgelegt ist, dass das eigentliche Leben irgendwie ständig auf das Wochenende verschoben werden muss. Ich bin die letzte Woche nicht einmal dazu gekommen, ein Paket zu öffnen. Ein Paket! Jetzt stehe ich wieder vor der Herausforderung mir meine eigenen Freiräume zu schaffen, trotz Arbeit. 

Leider ist dies gerade in der Anfangszeit eines neuen Jobs ziemlich schwierig. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit und einer (fast) völlig freien Tagesgestaltung, wenn man von den (Zwangs-) Maßnahmen des Jobcenters absieht, hin zu der totalen Durchstrukturierung des Lebens, ist schon eine ziemliche Umgewöhnung, an der ich zurzeit ziemlich knabbere. 

Auch muss ich mich erst mal an meine Tätigkeit und ihre Abläufe gewöhnen, besonders da ich in einem Bereich arbeite, in dem ich vorher so noch nie gearbeitet habe. Zuletzt im Buchhandel, lerne ich nun Büroabläufe. Dabei mache ich so allerlei interessante Erfahrungen. Besonders auf zwischenmenschlicher Ebene. Von Bürokriegen bis hin zur geheuchelten Dauergrüßerei auf den engen Fluren, muss ich mich erst mal, wie ein Forscher in diese neue Sozialstruktur einfinden. Während es früher ein Abmahnungsgrund gewesen wäre mein Handy auch nur kurz aus meiner Hosentasche zu ziehen, liegt das glänzende I-Phone in meinem neuen Job bei jedem Eingeborenen, Mitarbeiter neben der Tastatur. Wäre das Handy ein Neugeborenes, es könnte nicht zärtlicher und aufmerksamer umsorgt werden. Bei der kleinsten Regung, bei dem leisesten Geräusch wird es gleich in die Hand genommen, gestreichelt und bemuttert. 

Das wird nur ziemlich scheiße, wenn man neben sich einen neuen Mitarbeiter sitzen hat, der eingearbeitet werden will. Dieses Aufmerksamkeitsdefizit – also nicht gegenüber dem I-Phone, sondern mir gegenüber – geht sogar so weit, dass ich phasenweise dumm herum sitze und warte, bis das sinnlose Whatsapp-Gelaber endlich beendet wird. „Oh, guck mal, meine Schwester hat mir süße Hundebilder geschickt.“ „Ja, toll. Können wir bitte weiter machen. Ich bin in der Probezeit und möchte nicht fliegen, weil ich bisher nur kopieren kann.“ 

Besonders genervt hat mich, als gleich in den ersten Tagen eine Kollegin mit hysterischem Enthusiasmus durch alle Büro rannte, um die neuen Mitarbeiter in die offizielle Whatsapp-Gruppe einzuladen. Als ich sagte, ich hätte überhaupt kein Whatsapp löste dies totale Irritation aus. Das ganze Büro schwieg für ein paar Sekunden. Ich fühlte mich, als hätte ich gesagt, dass ich gerne Robbenbabys in meiner Freizeit keule. Und jetzt? Nichts. Ich bin sozial einfach ausgeschlossen. Fertig. Auf meine Frage, ob es denn auch andere Möglichkeiten gäbe. Zum Beispiel eine Telefonliste oder so was ganz altmodisches, lächelte die Kollegin noch verwirrter. Unglaublich, wie schnell ich in der Lage bin, die Menschen in absolute Hilflosigkeit zu stürzen. 

Bald bekomme ich in der Kantine einen Einzeltisch, als die komische Kollegin, die kein Smart-Phone hat. Das kann ja heiter werden.

Samstag, 12. Dezember 2015

Plauderei mit Visa Vie

Visa Vie, die beliebte ehemalige Moderatorin und Interviewerin bei 16Bars.TV, hat Ende Oktober ein neues Interviewformat auf Youtube gestartet. In "Zum Goldenen V" empfängt die zauberhafte Dame ihre Gäste in einer Berliner Bar. Für zwei bis drei Stunden, wohlgemerkt.

by Visa Vie


Denn Visa liebt Qualitätsjournalismus und gibt sich nicht mit vorhersagbaren, oberflächlichen Fragen und Antworten zufrieden. 
Bisher hat sie sich Serdar Somuncu, Schwesta Ewa und Olli Schulz vorgenommen und aus diesen (zumindest für mich) sehr interessanten und eloquenten Persönlichkeiten durch ihre empathische und verbindliche Art so einiges herausgeholt, was  normalerweise nicht so freiherzig preisgegeben wird.

Das Interview besteht aus vier Teilen, die einzeln in regelmäßigen Abständen hochgeladen werden, um die geneigte Zuseherschaft nicht mit der Gesamtlänge zu überrollen. 
Zu Beginn wird mit Pfeffi-Schnaps vorgeglüht und sich mit Smalltalk in Redelaune gebracht. In der zweiten Phase "Redebedarv" beginnt das tiefergehende Gespräch und es wird über Themen diskutiert, die sich der Gast vorher aussuchen darf. Anschließend unternehmen Visa Vie und ihr Partner einen "Vreigang" (z.B. zur Erotikmesse oder zum Graffiti sprühen) und werden nach der Rückkehr in die Bar von einem musikalischen (Newcomer-)Act überrascht, der fleißig mitplaudern darf.

Schon jetzt hat "Zum Goldenen V" einen riesigen, unglaublich loyalen und emotional involvierten Zuschauerkreis, der nach gerade einmal knappen zwei Monaten Anlaufzeit jede Folge feiert und die Parts mit scharrenden Füßen erwartet.  

Eigentlich  würde ich sagen, dass so eine qualitativ hochwertige Sendung viel zu gut dafür ist, um nur auf Youtube ausgestrahlt zu werden. Andererseits ist das Format gerade so frisch und originell, weil Visa sich in keinster Weise nach den Vorgaben eines Fernsehsenders richten muss und bei der Planung und Durchführung freie Hand hat.

Ich wünsche Visa und uns, dass es noch viele, viele sehenswerte Folgen geben wird und dass ihr niemals der Charme oder spannende Interviewpartner ausgehen. 


Dienstag, 8. Dezember 2015

Coffee-Manifesto



by webinteresante.com


1.) Kaffee ist ein Genussmittel und kein Treibstoff für Arbeitsmaschinen.

Kaffee ist lecker und hat keinen Nährwert. Das macht ihn zu einem Getränk, an dem man sich ohne besonderen Nutzen erfreuen kann. Man kann seine belebende Wirkung jedoch dafür missbrauchen, seinen übermüdeten und erschöpften Körper soweit in Schuss zu bringen, dass man seine Arbeits- und Alltagspflichten erfüllen kann. Dafür sind Genussmittel nicht gedacht. Schluck doch gleich Koffeintabletten oder anderen chemischen Driss, der Menschen mit körperlichen Bedürfnissen und Gebrechen in stets funktionierende Zahnrädchen zu verwandeln hilft.

2.) Scheiß auf 'Coffee to go'.

Hätten diese Leute, die sich täglich ganz busy und eilig ihren Coffee to go holen und dabei nicht mal eine Minute länger warten können, weil sie im Halteverbot stehen oder ihre Bahn kriegen müssen, überhaupt etwas zu erzählen, wenn man sich mal mit ihnen ein paar Stunden an den Cafétisch setzen würde? Etwas, das über Arbeit, Alltag und Familie hinausgeht? Ich bezweifle, dass diejenigen, die sich noch nicht mal 15 Minuten Zeit und Muße für ein heißes Getränk nehmen, sich mehr als einmal im Jahr (an Silvester) mit den grundlegenden Fragen des Lebens auseinandersetzen.

3.) Trinke in unabhängigen, inhabergeführten Cafés.

Wer will schon amerikanischen Riesenunternehmen, die überteuerte „Kaffeespezialitäten“ verkaufen, einen auf Fair-Trade machen und gleichzeitig ihre Mitarbeiter nach neoliberal-kapitalistischer Manier aufs Übelste ausbeuten, das Geld in den Rachen werfen? Da kauf ich lieber irgendeiner Tante mit einer „Kaffeemanufaktur“ zehn vegane, handgeklöppelte Oma-Kuchen ab und verzeihe ihr die Hafermilch im Cappuccino.

4.) Lass das Smartphone beiseite.

Ja, ich habe mittlerweile eingesehen, dass Smartphones auch ihre guten Seiten haben. Allerdings glaube ich nicht, dass mir ein Smartphone etwas geben könnte, was mir ein Café mit einer guten Zeitschriftenauswahl, Musik und interessanten Gästen nicht geben könnte. Und ganz ehrlich, wie viel Angst muss man vor den Anwesenden und seinen eigenen Gedanken haben, um jede freie Minute mit Candy Crush und Whatsapp-Geblubber totzuschlagen?

5.) Wähle deine Gesellschaft sorgfältig.

Die besten Begleiter des Kaffees sind süße Backwaren, Zigaretten und gute Gespräche. Gute Gespräche führt man nicht mit nervigen Kolleginnen oder Ex-Grundschulfreundinnen, die einen nicht zu Wort kommen lassen, nur über sich und ihren Freund sprechen, sich vor Redepausen fürchten oder im schlimmsten Fall gar nichts zum Gespräch beitragen. Mit denen geht man besser einen Hugo oder dergleichen trinken. 


Dienstag, 1. Dezember 2015

Lasst uns über's Kacken reden.


Ich habe das Bedürfnis, über das Bedürfnis zu schreiben. Immer noch ein wahnsinniges Tabuthema bei Frauen. Darf man nur drüber reden, wenn man entweder der rustikal-derbe Kumpeltyp, schon ewig miteinander befreundet ist oder eine Magen-Darm-Grippe hat, die man schwer verbergen kann. Ansonsten: stillschweigen. Ignorieren. Nase pudern gehen. Sich frisch machen. Maximal „Pipi“. Dabei will ich mich austauschen, offen und bedenkenlos sagen können, wenn ich Durchfall habe, oder dass die Rote Bete von gestern die Schüssel so lustig rosa färbt oder dass die Curry-Linsen-Suppe eine Sprengkraft erzeugt, mit der man abrissreife Gebäude beseitigen könnte.

Ich behaupte, dass mehr oder weniger alle Frauen eine Kackneurose haben, die sich vielfältig äußern kann. Bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich das große Geschäft nicht erledigen kann, wenn sich weitere Personen im Raum befinden. Es gibt nichts Schlimmeres für Frauen, als wenn ihnen auf dem Damen-WC, egal ob Bahnhof oder Four Seasons-Hotellobby, eindeutige Geräusche und Gerüche entfleuchen. Der kleinste Furz treibt uns die Schamesröte ins Gesicht und verhindert das Verlassen der Kabine, bevor nicht die unbekannten Stilettoträgerinnen vor der Tür (die sich zudem oft noch stundenlang schminken und kämmen) endlich, ENDLICH verschwinden. Nach dem Schema scheint die weibliche Mehrheit zu handeln, weshalb sich nie Eine traut, mit einem feuerwerksartigen Verdauungsakt die Grenzen des Anstands und des guten Geschmacks zu überschreiten und das Live-Kacken für Damen endlich salonfähig zu machen.

Nein, stattdessen wird sich lieber den ganzen Tag alles weggedrückt, bis man vor Bauchschmerzen kaum mehr gehen kann. Oder man macht es wie ich und nimmt auf dem Campus große Umwege und viele Treppenstufen auf sich, um seinen Lieblingsabort (da verwaist und abgelegen) aufzusuchen. Inklusive epische, innere Wutanfälle, wenn ich wider Erwarten dort von „Besuchern“ belästigt werde. Da hilft nur „Toter Mann“, also ausharren, bis die Luft rein ist. Absurd wird es, wenn zwei Frauen in Not gleichzeitig auf das Verschwinden der anderen warten und schweißbenetzt, in angespannter Stille zu ihrer persönlichen Durchfall-Gottheit beten, Gnade und vor allen Dingen Diskretion walten zu lassen.

Dieser „selektive Kack-Mutismus“, wie ich ihn nenne, ist allerdings nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Raum anzufinden. Neue Partner (diese besonders, das ist ein Kapitel für sich), neue Freunde, Bekannte und entfernte Verwandte dürfen unter KEINERLEI UMSTÄNDEN auch nur ahnen, dass man die eben verspeiste Sahnetorte wie ein normales Säugetier verdaut.

Nun interessiert es mich brennend, ob das Ganze nicht auch bei Männern zutrifft? Es muss so herrlich befreiend sein, mit der Wahl der Kabine statt des Pissoirs seine Absicht eindeutig zu machen. Männliche, wie weibliche Leser, ich freue mich auf eure Lach- und Kackgeschichten!