Jeder nimmt sich selbst
bierernst. Nicht viele gestehen es sich zu, gelegentlich Abstand von
sich selbst und seinen Befindlichkeiten zu nehmen. Befindlichkeiten
überhaupt sind die Wegweiser. Grundlage jedes Disputs, jeder
egoistischen und verletzenden Aktion, jedes gekränkten Stolzes. Eine
zeitweise Distanzierung von der Ideologie seines Egos wird als
Schwäche, Unterordnung gewertet. Bloß nicht abweichen, nachgeben,
Meinungen revidieren. Über uns selbst lachen? Sind wir dafür nicht
alle zu verbohrt? Ich soll Rücksicht auf die Befindlichkeiten der
anderen kleinen Sonnenkönige nehmen. Darf kein Wort tiefgehender
Kritik oder des Unverständnisses fallen lassen, es sei denn, ich
habe das Bedürfnis, einen verbitterten Glaubenskrieg zu führen, der
jede Seite in ihrer Position bestärkt.
Meinungen sind Schall und
Rauch. Doch derweil (oder: seit jeher?) das wichtigste Kriterium, um
herauszufinden, ob ein Mensch Freund oder Feind ist. Nicht jede
Meinung hat was mit Wertvorstellungen und Idealen zu tun, sonst
könnte man sich diesen Umstand ja noch erklären (wer gegen
Menschenrechte ist, ist halt einfach ein Feind). Stattdessen lassen
wir oft genug banale Fragen des Geschmacks unsere Beziehung zu
anderen Menschen bestimmen. Geschmacksfetischismus. In Stein
gegossene Paradigmen der eigenen Vorlieben, die wir mit Klauen und
Zähnen verteidigen, als ginge es um was. Dabei geht es nur selten um
was. Den Großteil der Zeit sind wir einfach nur anmaßend. Weisen
dem Ich und seinen Absonderungen in die Außenwelt eine übergroße
Bedeutung zu.
Eines Tages flippe ich
vielleicht im Bus aus und brülle die anderen Passagiere an; dass sie
unwichtig sind und irrelevant im Weltenlauf, einer Selbsttäuschung
aufgesessen, um die Sinnlosigkeit ihres Daseins verkraften zu können
etc. etc. Dann würde ich mich selbstzufrieden in den Sitz fallen
lassen und mich selbst so unheimlich besonders fühlen, weil ich ja
alles durchschaut habe. Der kleine Sonnenkönig in mir freut sich
prächtig über diese Streicheleinheit, schon jetzt, bevor ich
überhaupt den Plan umsetzen konnte.
Kurzer, aber prägnanter Text!
AntwortenLöschenWir alle nehmen uns viel zu häufig viel zu ernst. Ich kenne nicht wenige Menschen, die es absolut verlernt haben, mal über sich selbst zu lachen. Wenn, dann nur mithilfe von Alkohol, damit man später immer sagen kann: "Ich war ja betrunken!" Selbst, wenn man nur leicht angetrunken war.
Ich vermute, das hat viel mit dem weit um sich greifenden Narzissmus zu tun und damit, sich stets selbst verkaufen und inszenieren zu wollen und zu müssen. So ein beherztes: "Ist mir doch echt scheissegal, was andere von mir denken!" geht den Meisten völlig ab. Schade.